Die Ergebnisse sind da! Nachtrag zu unserem Workshop „Politik an der Genschere“

Am Vormittag des 26. Oktober 2020 kam eine hochmotivierte Gruppe von Mitgliedern des Deutschen Bundestages im Gläsernen Labor des Campus Berlin-Buch an und wurde nach einer kurzen Begrüßung und Einführung mit Laborkitteln ausgestattet. „Üblicherweise gibt es bei solchen Veranstaltungen erst einmal eine Reihe von Grußworten. Wir verzichten darauf, denn Sie sollen für ein paar Stunden in die Laborarbeit eintauchen“, so Wolfgang Nellen. Das, so wissen wir Mitarbeitenden des Gläsernen Labors und Science Bridge, schafft eine andere Atmosphäre als bei Expertenanhörungen, Monologen oder offiziellen Diskussionen. Am „Arbeitsplatz Labor“ können die unterschiedlichsten Fragen gestellt, Themen angesprochen und diskutiert werden, ohne dass sie parteipolitischer Positionierung oder „Sachzwängen“ unterliegen.

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Politik an der Genschere: Impressionen aus dem Labor

Für die meisten unserer Teilnehmenden waren Pipette, Elektrophorese und „Dark Reader“ Neuland und der Umgang damit musste zunächst ein wenig geübt werden. Hingegen war der theoretische Hintergrund bereits erstaunlich gut bekannt, da sich die Abgeordneten alle bereits im Vorfeld intensiver mit dem Thema „CRISPR-Cas“ beschäftigt hatten.

Gegen 15 Uhr war der Workshop offiziell beendet und die Politiker*innen, die in kleinen Teams bei der Durchführung unseres Experiments „Aus Blau mach Weiß“ verschiedene Ergebnisse erzielt haben, konnten am Ende des Tages festhalten: Versuch heißt Versuch, weil man etwas versucht. Auch zeigte sich sehr deutlich, dass nicht jeder mal eben so in der Küche eine Kartoffel, seinen Goldhamster oder gar sein Baby CRISPRn kann.

Die Wachstumsplatten unserer Kursteilnehmenden belegen, dass eines der drei Teams das erwartete Ergebnis „perfekt“ erzielt hat: In den ursprünglich blauen Bakterien wurde das entsprechende Gen durch CRISPR-Cas geschnitten und die DNA abgebaut: die Kolonien sind weiß.

Aber schauen wir uns diese Wachstumsplatten einmal etwas genauer an:

Perfektes Ergebnis

Die ersten beiden Platten zeigen Ausgangszellen: Blaue E. coli-Kolonien. Diese Zellen enthalten das laZ-Gen, welches für die Blaufärbung verantwortlich ist. Das eigentliche Experiment sehen wir auf den letzen beiden Platten: In Platte 4 wurde das „Blaue-Farbe-Gen“ lacZ erfolgreich weggeCRISPRt, indem eine gegen lacZ gerichtete crRNA im CRISPR-Cas-Komplex eingesetzt wurde. Die Platte 3 ist eine Kontrolle: Auch in diese Bakterien wurde ein CRISPR-Cas-Komplex eingebracht. Allerdings „passt“ in diesem Fall die crRNA nicht auf das lacZ-Gen: Die Bakterien sind so blau wie ihre nicht geCRISPRten Kollegen der Ausgangszellen. Unsere Arbeitshypothese stimmt also: Das Einbringen einer spezifisch gegen lacZ gerichtete crRNA führt zum Verlust der blauen Farbe.

Dass wir es mit der üblichen Mischung aus „perfekten“ und nicht ganz so perfekten Resultaten zu tun haben, ist beim Experimentieren unter diesen Bedingungen völlig normal. Auf einigen Platten sind einfach keine Bakterienkolonien gewachsen, sie waren leer. Dies ist zwar nicht das erhoffte, aber trotzdem ein Ergebnis, denn hierdurch wird eine saubere, sterile Arbeitsweise bestätigt. Das Experiment besteht aus zahlreichen Arbeitsschritten, bei deren Durchführung es schon einmal passieren kann, dass die E. coli-Bakterien unterwegs verloren gehen, wenn man nicht ständig darauf achtet: So werden sie versehentlich mit der Pipette abgesogen und landen im Autoklaviermüll oder kleben an der Innenwand des Gefäßes, sodass sie am Ende gar nicht auf die Wachstumsplatte übertragen werden.

Im zweiten Teil des Workshops gingen die Politiker*innen dem Phänomen der blauen und weißen Kolonien mit molekularbiologischen Methoden auf den Grund. Die spannende Frage, ob sich die blauen, nicht geCRISPRten Zellen von den weißen, geCRISPRten Zellen hinsichtlich ihrer genetischen Ausstattung unterscheiden, galt es schließlich zu beantworten.

Dazu muss man wissen, dass Bakterien neben ihrem großen Genom noch kleine genetische Elemente, sogenannte Plasmide enthalten. Das sind ringförmige DNA-Moleküle, die ebenfalls Gene codieren. So wird z. B. das lacZ-Gen auf einem Plasmid codiert. Genauso liegen die Gene, die für die crRNA und das Cas9-Schneideprotein codieren auf einem Plasmid – einem anderen, viel größeren! Wird in Bakterien das lacZ-Gen durch CRISPR-Cas9 geschnitten, verschwindet das gesamte Plasmid, da die Bakterien „kaputte“ DNA abbauen. Dann ist nur noch das große CRISPR-Cas-Plasmid vorhanden. Die Blaufärbung bleibt aus, die Kolonien erscheinen weiß. Anders als bei vielen Anwendungen in Pflanzen und Tieren, bei denen der Schnitt wieder repariert wird, ist der Eingriff mit CRISPR-Cas hier also molekularbiologisch nachweisbar.

Eine einfache und schnelle Möglichkeit, die Plasmide von Bakterien sichtbar zu machen ist, das sogenannte „Colony Cracking Gel“. Hier werden Bakterien aufgebrochen („gecrackt“) und anschließend ihr kompletter Inhalt in einer „Agarosegelelektrophorese“ aufgetrennt. Unterschiedlich große DNA-Stücke werden dabei als Striche (Molekularbiologen nennen diese Striche „Banden“) im Gel sichtbar. Da die Größe beider Plasmide bekannt ist und in einem solchen Gel neben den zu untersuchenden Proben immer auch ein leiterförmiger Standard (das sind mehrere Banden bekannter Größe in derselben Spur, deren Einheit in Basenpaaren – kurz „bp“ – angegeben wird) zur optischen Kontrolle mitgeführt wird, erwartet man die Plasmid-Banden an bestimmten Stellen im Gel.

Cracking Gel

Die Abbildung zeigt das Colony Cracking Gel aus dem Workshop, auf dem man besonders gut in der Spur B3 (blaue Bakterien) die orangenen Banden der beiden Plasmide (mit weißen Pfeilen markiert) sehen kann: Unten das kleinere lacZ-Plasmid, in dem das entsprechende Gen liegt, oben das größere CRISPR-Cas-Plasmid, das von unseren Gästen selbst in die Zellen eingebracht wurde. In der Spur W1 (weiße Bakterien) sieht man deutlich, dass in den geCRISPRten Zellen nur noch das obere, größere Plasmid erhalten ist. In den anderen W-Spuren ist etwas zu wenig Material aufgetragen. Erfahrene Augen sehen, dass vermutlich die untere Bande fehlt, das Experiment müsste aber auf jeden Fall wiederholt werden, um zu einer eindeutigen Aussage zu kommen! Ebenfalls normal in der Forschung: Experimente müssen mehrfach wiederholt werden, damit ein Ergebnis zuverlässig ist.

Auch der Bezug zur aktuellen Forschung gewinnt im Rahmen eines praktischen Workshops einen neuen Stellenwert. Mit Sandra Weller hatten wir eine junge Wissenschaftlerin zu Gast, die zwischendurch über ihre Arbeit am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin erzählte und auch die kaum vorhersehbare Verbindung zwischen Grundlagenforschung und potenziellen Anwendungen gut verdeutlichte.

Die Laboratmosphäre und die einheitliche Laborbekleidung trugen auch dazu bei, dass die Gespräche eher auf Augenhöhe stattfanden. Die Einblicke und die Beispiele, die im theoretischen Teil des Workshops vermittelt wurden, betonten noch einmal das ungeheure Potenzial der Genom-Editierung sowie ihre Grenzen.

Wenn sie es nicht bereits schon vorher wussten, so haben unsere Gäste aus dem Deutschen Bundestag spätestens an diesem Tag erlebt, dass die praktische Arbeit im Labor ein anderes Verständnis für wissenschaftliche Methoden erzeugt, als die reine Theorie – selbst wenn sie mit bunten Bildern und guten Grafiken dekoriert ist. Eigentlich, und das war Konsens in dieser Runde, gehört ein praktischer Einblick in Technologien wie diese in jede Schule und auch jede*r interessierte Bürger*in sollte die Möglichkeit haben, sich unter fachlicher Anleitung praktisch wie theoretisch darüber zu informieren. Hier ist die Politik gefragt, dafür Voraussetzungen zu schaffen.

Die Teams von Gläsernem Labor und Science Bridge haben sich sehr gefreut, dass mit diesem Workshop ein Anfang gemacht wurde. Wir bereiten jetzt weitere Veranstaltungen vor, um auch den restlichen 704 Abgeordneten Einblicke in die Wissenschaft verschaffen zu können! 😉

Autoren: Wolfgang Nellen, Heike Ziegler


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