Aktuelle Publikation: Wie arbeiten CRISPR-Cas Proteine eigentlich in der Zelle?

Hier geht es darum, eine Methode für die Forschung zu entwickeln, mit der Proteine innerhalb einer Zelle mit sehr hoher Auflösung betrachtet und bei ihrer Arbeit verfolgt werden können.

Mit dieser hochauflösenden Mikroskopiemethode kann unter anderem auch die Frage beantwortet werden, wo genau die CRISPR-Cas-Maschinerie in einer Zelle sitzt, und wie sie sich bewegt. Wie kommen die einzelnen Komponenten zusammen? Wie scannen sie die DNA? Was passiert beim Angriff eines Virus?

Kann man tatsächlich in einer winzigen lebendigen Zelle von Haloferax einzelne Moleküle beobachten? Ja, das geht! Aber gerade bei ungewöhnlichen Organismen wie Haloferax kostet das viel Vorarbeiten – und auch Vorarbeiten anderer Wissenschaftler*innen, auf denen man aufbauen kann.

Proteine und Nukleinsäuren sind normalerweise „unsichtbar“: man kann sie auch im besten Mikroskop ohne Hilfsmittel nicht sehen. Eine der Ausnahmen ist GFP – das „Grün Fluoreszierende Protein“ aus der Qualle Aequorea victoria – ein kleines, grün leuchtendes Protein. Damit GFP leuchtet, muss es allerdings erst angeregt werden, in der Qualle bekommt GFP seine Energie vom Photoprotein Aequorin (Abb. 1).

Grüne Tiere
Abb. 1 – links: Grün-leuchtende Quallen (Quelle: https://www.piqsels.com/de – lizenzfreie hochauflösende Stock-Fotos); rechts: Außen je eine GFP-Maus unter UV-Licht, in der Mitte eine Maus ohne GFP (Quelle: https://de.wikipedia.org – Moen et al. 2012. CC BY 2.0)

Weil die „Sprache der Gene“ (der DNA-Code) in allen Organismen gleich ist, kann man das Gen aus der Qualle in Zellen von fast jedem beliebigen Organismus setzen – dieser kann mit dieser Anleitung GFP selbst bauen und fängt an zu leuchten, wenn man ihn mit blauem oder UV-Licht bestrahlt. Auf diese Art und Weise wurden schon viele Lebewesen zum Leuchten gebracht. Eduardo Kac hat z.B. bereits 1999 zusammen mit französischen Wissenschaftler*innen so das grüne Kaninchen „Alba“ gemacht.

Alba_green bunny
Abb. 2: Das grüne Kaninchen „Alba“ des brasilianischen Künstlers Eduardo Kac (Quelle: http://www.ekac.org/gfpbunny.html)

Noch interessanter als grün fluoreszierende Tiere sind jedoch die viel kleineren Proteine, die man durch die grüne Fluoreszenz überhaupt erst sichtbar machen kann. Bei vielen Proteinen geht das relativ einfach: man hängt die DNA-Sequenz vom GFP-Gen vor oder hinter das Ziel-Gen, das einen interessiert und erhält ein „Fusionsprotein“ (Abb. 3).

Fusionsprotein
Abb. 3: Schematische Übersicht zur Herstellung eines „Fusionsproteins“

Manchmal muss man etwas rumprobieren, aber meistens wird die Funktion des Ziel-Proteins durch das angehängte GFP nicht gestört: es macht seinen Job in der Zelle so wie vorher, nur dass es jetzt eben zusätzlich grün markiert ist.

Einigen Wissenschaftler*innen reichte grün nicht aus. Sie suchten nach Proteinen mit anderen Farben, und sie mutierten das GFP so, dass es beispielsweise gelb oder rot wurde. Inzwischen gibt es eine riesige Farbenpalette, sodass es möglich ist unterschiedliche Proteine verschiedenfarbig zu markieren und diese zeitgleich unter dem Mikroskop zu betrachten.

Zusätzlich zu den Fluoreszenzproteinen, die erst durch energiereicheres Licht aktiviert werden müssen, um sichtbar zu werden (=photoaktivierbare Proteine), haben Forscher*innen auch Fluoreszenzproteine entwickelt, bei denen sich die Farbe durch Bestrahlung von Licht mit hoher Energie ändern (konvertieren) lässt, beispielsweise von grün zu rot (=photokonvertierbare Proteine). Dadurch ist es möglich, ganz gezielt einzelne Proteine zum Leuchten zu bringen. Das erlaubt einem, Proteine innerhalb einer Zelle genau zu lokalisieren und in Aktion zu beobachten.

Auf diese umfangreichen Arbeiten anderer Wissenschaftler*innen bauten die SPP-Gruppen von Anita Marchfelder (Ulm) und Ulrike Endesfelder (Pitsburgh) auf, um hochauflösende Lokalisationsmikroskopie in Haloferax-Zellen möglich zu machen. Das war vermutlich eine größere Herausforderung als das grüne Kaninchen, denn Haloferax lebt in so salziger Umgebung, dass andere Organismen das nur kurz überleben. Viele Proteine aus anderen Lebewesen vertragen diese Bedingungen nicht und stellen ihre Funktion ein. Im Falle der Fluoreszenzproteine heißt dies, dass keine bunten Lichtsignale mehr entstehen können.

Die vielen verschiedenfarbigen Proteine mussten experimentell ausprobiert werden, um herauszufinden, welche sich am besten für Haloferax eignen. Für die Proteine, die auch bei dem hohen Salzgehalt, den Haloferax zum Leben braucht, noch funktionierten, wurde dann eine „Codon-Optimierung“ vorgenommen. Der genetische Code ist zwar universell, aber verschiedene Organismen „sprechen“ verschiedene „Dialekte“. Hamburger können Münchner und Stuttgarter zwar verstehen, aber das braucht manchmal etwas länger und mit einer vorherigen Übersetzung in den jeweiligen eigenen Dialekt tun sich alle leichter. Die ausgewählten Gene für die Fluoreszenzproteine Dendra2 (konvertierbar von grün zu rot) und PAmCherry1 (aktivierbar von dunkel zu rot) wurden deshalb an den „Codon-Dialekt“ von Haloferax angepasst. Durch das nun bessere „Verständnis“ gibt es mehr Protein und man kann es besser sehen!

Um zu prüfen, ob die Methode gut funktioniert, wählten die Wissenschaftler*innen zwei Proteine aus, über die man schon einiges weiß (Abb. 4). Zum einen wurden FtsZ1-Proteine mit den beiden Fluoreszenzproteinen kombiniert. Diese sind an der Zellteilung beteiligt und bilden einen Ring in der Zellmitte, wo sich die beiden Tochterzellen trennen werden.

PAmCherry_Dendra
Abb. 4: Grafik aus Turkowyd et al. 2020 (doi: 10.3389/fmicb.2020.583010), Beschreibung im Text

Sowohl bei der Fusion mit PAmCherry1 als auch bei der mit Dendra2 kann man diesen Ring (von oben und der Seite als Linie sichtbar) sehr fein strukturiert erkennen. In Abb. 4 sind ganz links jeweils die lichtmikroskopischen Bilder gezeigt, die Farben werden erst bei entsprechender Lichtanregung und mit speziellen Farbfiltern sichtbar. Für Dendra2 ist deutlich zu sehen, dass die Ringstruktur viel besser und detaillierter erkennbar ist, nachdem das Fluoreszenzprotein von seiner dauerhaften grünen Fluoreszenz (Mitte) zu einem roten Leuchten (rechts) angerecht wurde.

Als zweites Protein wurde die RNA-Polymerase mit Dendra2 fusioniert (Abb. 5). Die Polymerase ist ein sehr dynamisches Protein, das sich viel bewegt und die für die Zellen erforderlichen Gene von der DNA abliest.

Polymerasen in Aktion
Abb. 5: Grafik aus Turkowyd et al. 2020 (doi: 10.3389/fmicb.2020.583010), Beschreibung im Text

In Abb. 5 ist die DNA mit einem Farbstoff blau angefärbt, die Polymerase-Dendra2-Fusion ist in der Farbe Rot gezeigt. Jeder rote Fleck ist ein sich kaum bewegendes Polymerase-Molekül, das gerade DNA abliest. Die Untersuchungen zeigten nicht nur, dass etwa 15 Polymerasen gleichzeitig verschiedene Gene ablesen, man konnte auch erstmals die Bewegung des Enzyms in der Zelle verfolgen. Diese wird durch die violetten Linien deutlich, während die Polymerase durch die Zelle wandert und neue Gene zum Ablesen sucht.

Dass für diese Arbeiten eine ausgefeilte Mikroskopie mit vielen technischen Extras nötig ist, ist offensichtlich – aber es würde zu weit führen, das zu erklären!

Die Arbeit zeigt, dass man in Haloferax einzelne Moleküle in lebenden Zellen lokalisieren und ihre Bewegung in hochauflösender Art und Weise beobachten kann. Die Methode funktioniert und mit Sicherheit werden als nächstes auch Komponenten der CRISPR-Cas-Maschinerie als interessante Kandidaten untersucht werden.

Zuletzt wieder die Frage: und wofür ist das gut? Wird man damit Krebs oder zumindest Kopfschmerzen heilen können?

Direkt gewiss nicht!

Aber wer hätte bei den ersten Untersuchungen der CRISPR-DNA daran gedacht, dass das einmal zu einer Revolution in der Pflanzenzüchtung und der Medizin führen wird?

Autoren: Ulrike Endesfelder, Anita Marchfelder, Sandra Schreiber, Julia Wörtz, Wolfgang Nellen

 


Beitrag veröffentlicht

in

von