Leitung: Gabriele Klug
Mitarbeitende: Timon Spanka, Jonas Kretz
Standort: Institut für Mikro- und Molekularbiologie, Universität Gießen
Beim Menschen wird physische, vor allem aber psychische Belastung als Stress bezeichnet. Was aber stresst Bakterien? Man kennt gewiss nicht alle Stressoren, aber Wissenschaftler haben sich viele Gemeinheiten ausgedacht, wie man Bakterien „quälen“ und unter Stress setzen kann. Die meisten davon haben große Ähnlichkeit mit menschlichen Stressfaktoren. Hitze und Kälte können uns körperlich ganz schön mitnehmen und das ist bei Bakterien nicht anders – sie reagieren mit sehr spezifischen biochemischen Reaktionen. Ähnlich ist es bei großen Menschen- oder Bakterienansammlungen: Mensch und Bakterium sind genervt, wenn zu viele Artgenossen die Privatsphäre stören. Hunger und Durst verursachen Stress und viele Umweltfaktoren stellen für Organismen eine Herausforderung dar, vor denen Menschen sich teilweise mit künstlichen Mitteln (Sonnencreme, Heizung, Klimaanlage usw.) schützen können, Bakterien aber nicht. Sie sind umso mehr auf biologische Stressreaktionen angewiesen.
Zum üblichen experimentellen Vorgehen gehört es, Bakterien bei höheren (oder niedrigeren Temperaturen wachsen zu lassen, ihnen Nährstoffe zu entziehen, sie mit verschiedenen unangenehmen Chemikalien (Salz, Schwermetalle usw.) in Kontakt zu bringen, oder sie durch gute Ernährung zu einer Vermehrung zu bringen, die schließlich zu einer Überpopulation führt. Der Phantasie zur „Bakterienfolter“ sind kaum Grenzen gesetzt! Einige, aber längst nicht alle biochemische Reaktionen auf verschiedene Stressoren kennt man und überraschend viele von ihnen sind evolutionär sehr alt und man findet ähnliche Reaktionen in Bakterien und anderen Organismen (auch dem Menschen).
Mit genau diesem Thema beschäftigt sich eine weitere Arbeitsgruppe aus dem DFG-Schwerpunktprogramm, die wir vorstellen möchten. Am Institut für Mikro- und Molekularbiologie der Universität Gießen untersucht die Projektleiterin Gabriele Klug zusammen mit Timon Spanka und Jonas Kretz den Einfluss von CRISPR-Cas-Funktionen auf die Stress-Antwort von Bakterien:
Kurzbeschreibung des Projekts
Bakterien sind sehr klein – das weiß jeder. Sie können zwar über chemische Signale miteinander „reden“, bilden aber meistens keine größeren Zellverbände, die sie vor der Umwelt schützen. Sie müssen sich deshalb schnell an Veränderungen anpassen, um zu überleben und sich zu vermehren.
Zu heiß, zu kalt, zu viel, zu wenig Licht, Salz oder eine ungewöhnliche Nahrungsquelle – all das verursacht für ein Bakterium Stress – nicht viel anders als bei uns. Und Stress kann die Vermehrung verhindern oder sogar zum Tode führen.
Bakterien haben viele Mechanismen entwickelt, um Stress zu vermeiden, sich vor stressbedingten Schäden zu schützen oder diese zu reparieren. Molekulare Prozesse auf Ebene der RNA tragen dazu bei, mit dem Stress fertig zu werden. CRISPR-Cas-Systeme scheinen dabei eine Rolle zu spielen.
Wir arbeiten mit dem Bakterium Rhodobacter capsulatus, das sehr unterschiedliche Stoffwechselwege nutzen kann, um Energie aus Nahrungsquellen zu bekommen. Es kann auch Photosynthese betreiben, also die Energie aus dem Sonnenlicht nutzen. Dabei wird aber, im Gegensatz zur Photosynthese der Pflanzen, kein Sauerstoff gebildet. Die Nutzung des Sonnenlichts ist einerseits ein großer Vorteil, andererseits birgt sie auch eine große Gefahr. Bei gleichzeitiger Anwesenheit von Licht, Sauerstoff und Bacteriochlorophyll entstehen aggressive Moleküle, sogenannte „reaktive Sauerstoffspezies“ (oder „ROS“ für „reactive oxygen species“), die viele Zellbestandteile schädigen und somit einen Stressfaktor darstellen. Rhodobacter hat daher verschiedene Mechanismen entwickelt, um das Entstehen dieser ROS zu vermeiden, bzw. die entstandenen Schäden zu reparieren.
Im Genom von Rhodobacter capsulatus wurden bislang drei CRISPR-Cas-Systeme gefunden. Zwei davon haben DNA als Zielmoleküle, ein anderes hat RNA als Zielmolekül. ROS verändern die Mengen der RNAs, die von diesen CRISPR-Cas-Systemen gebildet werden. Wenn das Protein Cas13a häufiger vorkommt, zeigen die Bakterien eine bessere Stressresistenz.
Das sind erste Ergebnisse, die deutlich machen, dass Stress auf das CRISPR-Cas-System wirkt und dass CRISPR-Cas wiederum auf die Stressresistenz wirkt. Wir sind hier einer neuen Funktion auf der Spur, die nun wirklich nicht viel mit der ursprünglichen Abwehr von Bakteriophagen zu tun hat! Es gibt ganz viele Fragezeichen und die wollen wir lösen.
Autoren: Gabriele Klug, Wolfgang Nellen