Bei CRISPR-Whisper beschäftigen wir uns mit dem molekularbiologischen Phänomen CRISPR-Cas, einem Abwehrmechanismus von Bakterien gegen Viren. Daraus wurde vor einigen Jahren ein Werkzeug entwickelt, um den genetischen Code von Pflanzen oder Tieren zu verändern. In den Medien ist dann meistens von der Gen-Schere die Rede. Um zu erfahren, wie die Anwendung von CRISPR-Cas als Werkzeug konkret aussieht, blicken wir über den Tellerrand des SPP 2141 hinaus und fragen einen Wissenschaftler, der tagtäglich mit dem Werkzeug arbeitet: Robert Hoffie, Doktorand am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben.
Robert, Du „crisperst“ mit Gerste, richtig?
Ganz genau, wir wenden die Technik an in Gerste, um sie virusresistent zu machen.
Gegen ein Virus oder mehrere?
Es geht um die Gersten-Gelbmosaik-Virose. Das ist eine Viruskrankheit, die von zwei eng verwandten Virusarten verursacht wird. Die Krankheit entsteht im Herbst, wenn die Wintergerste ausgesät ist und die ersten Keimlinge im Feld stehen. Dann wird die Gerste über die Wurzeln von einem Bodenpilz infiziert. Diese Pilzinfektion ist erst einmal ohne Symptome für die Pflanze. Wenn der Pilz allerdings die Viren in sich trägt, dann überträgt er sie auf die Pflanze. Das führt dann dazu, dass die Pflanze im Herbst gelbe Strichelchen auf den Blättern bekommt. Daher auch der Name für die Viruserkrankung: Gelbmosaik. Wenn die Pflanzen dann im Frühjahr eigentlich weiterwachsen und schließlich blühen sollten, führt die Infektion dazu, dass einzelne Blätter oder sogar ganze Pflanzen absterben. Ertragsverluste von bis zu 50 Prozent sind die Folge. Das ist nicht nur für die Pflanzen, sondern auch für die Landwirte existenziell.
Wenn die Blätter geschwächt sind und kaputt gehen, kann die Pflanze keine Photosynthese mehr machen?
Genau, sie ist dann damit beschäftigt, das Virus durchzufüttern und darum fehlt ihr die Energie für die eigene Entwicklung.
Wie kann man das mit CRISPR-Cas verändern? Sind Ursorten da widerstandfähiger gewesen oder wie muss man sich das vorstellen?
Viren sind ja an sich keine Organismen, sondern das ist eigentlich nur in Protein-Hülle verpackte Erbinformation. Das heißt, Viren sind immer darauf angewiesen, den Stoffwechsel ihres Wirtes mit zu nutzen. Darum interagieren Viren und Wirt auf molekularer Ebene miteinander. Und wir versuchen jetzt mit Hilfe der Gen-Schere, diese Interaktion zu stören. Pflanzeneigene Faktoren, die mit dem Virus interagieren, versuchen wir gezielt abzuschalten oder so zu verändern, dass keine Interaktion mehr möglich ist. Der von uns gewählte Ansatz, das molekulare Schlüssel-Schloss-System aufzulösen, stammt tatsächlich aus einer ostasiatischen Landrasse. Diese ist resistent gegen das Virus. Bei der genaueren Untersuchung der Landrasse wurde festgestellt, dass nach dem Abschalten eines Gens sich das Virus nicht mehr in der Pflanze vermehren kann. Genau diesen Ansatz verfolge ich auch in meinem Projekt. Mein Ziel ist es, genau diesen Mechanismus auf unsere Kulturgerste zu übertragen, indem ich auch dort dieses Gen durch Mutation abschalte und dadurch die Gerste virusresistent mache.
Und, hat das schon geklappt? Hast Du schon Anbauversuche gemacht mit Deiner Gerste im Labor?
Die ersten Versuche mit den ersten Mutanten gehen jetzt gerade zu Ende. Und da waren auch schon ein paar resistente Pflanzen dabei. Wie es aussieht, hat es also geklappt. Die Ergebnisse sind noch ganz frisch, aber das Experiment sieht gut aus.
Und warum nimmst Du dafür CRISPR-Cas und keine andere Molekular-Schere oder kein anderes Verfahren?
Der große Vorteil von CRISPR-Cas ist natürlich die Genauigkeit, also dass ich genau sagen kann, ich möchte jetzt nur dieses Gen abschalten. Während man eben mit anderen Mutagenese-Techniken, die ja unspezifisch sind, alles und nichts trifft. Und andere Gen-Scheren sind nicht nur unverlässlicher, sondern auch aufwendiger in der Handhabung: TALEN oder Zinkfingernukleasen sind zwar ebenso präzise wie CRISPR-Cas aber deutlich komplizierter herzustellen und anzuwenden. Da ist CRISPR-Cas einfacher, schneller und damit auch kostengünstiger.
Habt Ihr schon mal überschlagen, wie viel Pflanzenschutzmittel, Fungizide, man mit dieser resistenten Sorte einsparen kann?
Bei dieser Krankheit ist es so, dass gegen die Pilze im Boden keine Fungizide zugelassen sind. Von daher ist Pflanzenzüchtung die einzige Möglichkeit, mit dieser Krankheit klarzukommen. Es gibt zwar einen anderen Resistenzmechanismus, der auf einer anderen Interaktion basiert und der auch momentan in der Pflanzenzüchtung genutzt wird: Zwei Drittel der Wintergerstensorten sind derzeit resistent. Allerdings fängt das Virus an, diesen Resistenzmechanismus zu überwinden. Das ist der klassische Wettlauf zwischen Züchtung und Pathogen. Und darum ist es auch so interessant, diesen völlig neuen Mechanismus für die Pflanzenzüchtung verfügbar zu machen, um ihr wieder einen Vorsprung zu verschaffen. Durch CRISPR-Cas ist es auch möglich verschiedene Resistenz-Mechanismen miteinander zu kombinieren. Dann ist es deutlich schwieriger für das Virus, die Resistenz zu überwinden.
Also ist man als Pflanzenzüchter im Prinzip nie fertig?
Nein, das sowieso nicht, das ist ein ständiger Wettlauf, das wird auch immer so bleiben. Auch in der Natur sind Krankheitserreger und ihre Wirte in ständiger Ko-Evolution. Einem Organismus gelingt der Schutz und der Krankheitserreger entwickelt einen Mechanismus, diesen zu überwinden. So ist das in der Züchtung auch.
Wie wichtig ist denn CRISPR-Cas generell für Euch am IPK in Gatersleben?
Hier in unserer Arbeitsgruppe arbeiten fast alle damit. Unsere Gruppe hat zwei Standbeine: Zum einen ist das die Entwicklung von Zellkultursystemen, also dass man aus einzelnen Gewebestücken, aus einzelnen Pflanzenzellen wieder ganze Pflanzen regenerieren kann. Das ist die Grundlage für klassische Gentechnik und natürlich auch für Genome Editing. Und dann ist das Genome Editing mit CRISPR-Cas das zweite große Standbein, wo wir viele verschiedene Ziele haben, viele verschiedene Pflanzen und Eigenschaften bearbeiten wollen. Das IPK ist sehr groß und sehr vielfältig aufgestellt. Da gibt es auch noch andere Gruppen, die im geringeren Umfang damit arbeiten. Interessant ist CRISPR-Cas auch für die Grundlagenforschung, die bei uns eine große Rolle spielt, z.B. wenn es darum geht, Genfunktionen aufzuklären. Wenn man jetzt identifiziert hat: Gen XY ist für die Bildung der Ähre, z.B. wie viele Körner sie bildet, zuständig, dann kann man das Gen mit CRISPR-Cas ausschalten und schauen, ob sich die Pflanze entsprechend verändert. Das ist ein ganz klassischer Ansatz, dass man Gene ausschaltet oder gezielt verstärkt, um herauszufinden, für welche Funktionen sie in der Pflanze zuständig sind – unabhängig davon, ob das jetzt gleich einen direkten Anwendungsbezug hat. Für uns sind es also auch Methoden zum Erkenntnisgewinn.
Du bist seit rund zwei Jahren auf Twitter unterwegs und engagiert Dich auch sehr für die Wissenschaftskommunikation: Was sind Deine Erfahrungen? Kannst Du das anderen Wissenschaftlern empfehlen?
Ich habe gute Erfahrungen gemacht. Zum einem finde ich, ist Twitter ein sehr gutes Werkzeug, um mit verschiedenen Leuten in Dialog zu kommen. Es gibt ja immer diese Diskussion um Filterblase, Echokammern etc., aber eigentlich ist es doch relativ einfach, da rauszukommen, indem ich schaue, was schreiben andere Leute etwa zum Thema Gentechnik. Da bekommt man die verschiedenen Perspektiven mit – von Kritikern bis hin zu Befürwortern – und kann sich selbst ein Bild machen, was sind die Argumente für und gegen Gentechnik. Wie kommunizieren die Menschen? Das finde ich ganz wichtig, um auch selbst gut zu argumentieren. Dazu muss ich ja erst einmal wissen, was denn eigentlich die Sorgen und die Argumente sind, um darauf auch gezielt reagieren zu können. Und es gibt eben auch die Möglichkeit, mit Journalisten und Politikern ins Gespräch zu kommen, dafür ist Twitter auch eine sehr gute Plattform. Seit zwei Jahren bin ich da unterwegs und noch macht es Spaß.
Hast Du auch schon Reaktionen bekommen von Gruppen außerhalb der Wissenschaft? Du warst, glaube ich, schon einmal bei den Grünen in Göttingen eingeladen?
Ja, das sind Kontakte, die sich aus meinen Twitter-Aktivitäten ergeben haben. Ich war bei den Grünen beim Programmforum in Göttingen. Gestern war von der Mitteldeutschen Zeitung ein Journalist hier, der auch über Twitter auf das Thema und auf uns am IPK aufmerksam geworden ist.
Man kommt also auch aus seiner Filterblase raus – offensichtlich?
Ja, das denke ich auch.
Die Fragen stellte Susanne Günther, Foto: IPK/Iris Koeppel
Zur Person
Robert Hoffie ist Doktorand am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben. In der Arbeitsgruppe Pflanzliche Reproduktionsbiologie beschäftigt er sich vor allem mit Gerste. Als @forscherrobert ist er auf Twitter unterwegs.
Kommentare
2 Antworten zu „„Pflanzenzüchtung ist ein ständiger Wettlauf““
Sehr gut erklärt
Dankeschön 🙂