Wir haben nachgefragt

Finn Ole

In unserer Reihe „Wir haben nachgefragt“ haben wir uns dieses Mal mit dem Mikrobiologen Finn Ole Gehlert unterhalten. Nach seinem Abitur am Friedrich-Schiller-Gymnasium im schleswig-holsteinischen Preetz vor neun Jahren hat Finn zunächst im Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung – GEOMAR – sein Freiwilliges Soziales Jahr in Wissenschaft, Technik und Nachhaltigkeit absolviert und erste praktische Erfahrungen im Bereich Meeresbiologie gesammelt. Im Anschluss daran folgte das Bachelorstudium der Biologie an der CAU, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Parallel dazu hat Finn am GEOMAR in unterschiedlichen, sehr spannenden Projekten mitgewirkt, unter anderem hat er Benthosproben sortiert und charakterisiert, Reproduktionszeitpunkte von Braunalgenarten untersucht, den Phosphatgehalt von Meerwasserproben analysiert, sich um die wertvolle Korallenaufzucht gekümmert und auch die Kultivierung von Brachiopoden und Algen betreut. Es folgte der Master of Science am Institut für Allgemeine Mikrobiologie, wo auch im Jahr 2019 der Startschuss zur Promotion in der Arbeitsgruppe von SPP2141-Forscherin Ruth Schmitz-Streit Im Interview gewährt uns Finn Einblicke in seine wissenschaftliche Laufbahn, in seine Forschung sowie seinen Alltag, spricht auch über Themen wie Stellenbefristung an Universitäten und verrät uns, für welche Fachrichtung sein Herz insgeheim schlägt.


Finn, Du hast bisher schon in sehr vielen Bereichen der Biologie Erfahrungen sammeln können. Kannst Du uns sagen, wie Du ursprünglich zur Wissenschaft gekommen bist und ob Du schon immer Forschung machen wolltest?

Im Grunde war das schon in meiner frühesten Kindheit klar. Ich habe immer viel gefragt, alles hinterfragt und mich für viele Dinge interessiert, die anderen Kindern vollkommen egal waren. Vor allem die Naturwissenschaften haben immer einen großen Teil in meinem Leben ausgemacht. Ich wollte schon als Grundschulkind immer studieren um „Forscher“ oder auch Professor zu werden und mir war klar, dass ich dafür das Abitur brauchen würde. Ich habe im Anschluss ein Freiwilliges Soziales Jahr in Wissenschaft, Technik und Nachhaltigkeit am GEOMAR in Kiel gemacht. Nach diesem FSJ musste ich mich dann für eine Richtung entscheiden und schließlich hat die Biologie ein mögliches Physikstudium verdrängt.

Bestimmt wurdest Du von Deiner Familie schon das ein oder andere Mal mit der Frage konfrontiert, was Du eigentlich in Deiner Doktorarbeit so machst. Kannst Du uns Deine Antwort verraten und Dein CRISPR-Projekt etwas näher beschreiben?

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Ich beschäftige mich mit einer genetischen Struktur (der Fachbegriff dazu ist „Casposon“) im Genom des Archaeon Methanosarcina mazei, die durch die dort kodierten Gene wahrscheinlich in der Lage ist, sich an dieser Stelle aus dem Genom auszuschneiden und an anderer Stelle wieder ins Genom einzubauen (Transposition). Das Schlüsselenzym besitzt eine sehr hohe Ähnlichkeit zum CRISPR-Cas1 Protein. In der Tat kommt die Frage nach dem Inhalt meiner Doktorarbeit sehr bekannt vor – da meine Familie und auch die meisten meiner Freunde sehr weit von meinem Fachbereich entfernt sind und ihnen sehr viele Grundlagen fehlen – beschränkt sich meine Antwort auf zwei kleine Statements: 1) ich untersuche das Immunsystem von Bakterien (mit Archaeen kann niemand etwas anfangen) und 2) im Grunde beschäftige ich mich mit mehr oder weniger klaren Flüssigkeiten, die ich hin und her pipettiere. Beides wird mit unverständlichem Kopfwackeln aufgenommen und niemand fragt weiter. Meine Eltern haben auch bestimmt zwei Jahre gebraucht (inklusive meiner Masterarbeit) bis sie verstanden haben, dass ich jetzt keine Ozeanforschung mehr mache.

Du sagst, Du forschst derzeit an einem ganz bestimmten Archaeon. Was interessiert Dich daran besonders?

An Methanosarcina mazei interessiert mich vor allem die Interaktion mit dem Methanosarcina Spherical Virus (MetSV). Ich habe schon meine Masterarbeit darüber geschrieben und würde gerne mehr darüber herausfinden, wie genau das Virus seinen Wirt infiziert und wie der Wirt versucht dagegen an zugehen. Hier ist die Schnittstelle zum CRISPR-Cas System und meinem Projekt.

Bist Du derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter von der CAU direkt angestellt, oder ist Deine Stelle über DFG-Drittmittel finanziert?

Meine Stelle ist derzeit über DFG-Drittmittel finanziert und auf 3 Jahre befristet.

Beteiligst Du Dich neben Deiner eigenen Forschung auch in der Lehre? Welche Lehrformate stehen da auf der Plan und wie empfindest Du diese zusätzliche Aufgabe?

Ich habe bereits eine Bachelorarbeit und Tutorien, sowie Praktika für Studierende betreut. Es ist schön und macht Spaß sein Wissen weiterzugeben, natürlich bleibt dabei für die eigenen Projekte und Versuche weniger Zeit, sodass bei beidem etwas auf der Strecke bleibt. Ich denke hier wäre es sinnvoller, Dauerstellen für die Lehre zu schaffen, um der Ausbildung wissenschaftlichen Nachwuchses besser gerecht zu werden.

Was schätzt Du an Deiner Arbeit besonders? Gibt´s auch Dinge, mit denen Du Dich nicht richtig anfreunden kannst und die Du verändern würdest, wenn Du könntest?

Also das ist ein bisschen kompliziert. Auf der einen Seite finde ich die Flexibilität gut, man kann eigene Ideen einbringen und viele Dinge ausprobieren (von denen die meisten in Sackgassen führen, aber das gehört wohl dazu). Auf der anderen Seite ist man einem hohen Druck und viel Stress ausgesetzt, wenn man nicht stupide seine Zeit absitzen möchte. Auch wenn einem häufig gesagt wird, dass man die Doktorarbeit für sich macht, empfinde ich das Maß an unbezahlten Überstunden und Wochenendarbeit schon als sehr anstrengend. Weiterhin hat man dadurch, dass man ein so klar definiertes kleines Feld für seine Forschung hat, häufig den Eindruck, dass mögliche Ergebnisse „die Weltachse“ nicht nennenswert beeinflussen werden, auch wenn das wahrscheinlich bei über 95% der Grundlagenforschung zutreffend ist. Was ich hingegen generell an meinem Beruf „Biologe / Mikrobiologe“ schlecht finde ist, dass es nahezu unmöglich ist die persönliche Zukunft richtig zu planen. Die Zeitverträge an den Universitäten verhindern, dass man ein sicheres Umfeld für eine Familie aufbauen kann oder auch größere Kredite für den Hausbau oder ähnliches beantragen kann. Hier würde ich mir wünschen, dass es mehr unbefristete Stellen in der Wissenschaft und Forschung gibt, da ansonsten nur die Wirtschaft bleibt.

Damit sprichst Du vielen Betroffenen aus der Seele. Würdest Du denn mit dem Wissen von heute nochmal denselben Weg einschlagen, oder nach dem Abi eher etwas ganz anderes machen?

Über diese Frage habe ich in den letzten Jahren viel nachgedacht und ich glaube ich würde es nicht tun. Ich glaube, ich würde tatsächlich eher eine handwerkliche Ausbildung machen. Etwas mit den Händen zu erschaffen, das man sehen und anfassen kann, hat für mich deutlich an Wert gewonnen. Ich versuche dies über meine handwerklichen Hobbies zu kompensieren und mich hier ein bisschen auszuleben.

Hast Du je mit dem Gedanken gespielt, in die Industrie zu gehen? Wo siehst Du Dich nach der Promotion?

Um nach dem Studium einen guten Job zu bekommen ist die Promotion in biologischen Fachrichtungen nahezu unumgänglich. Daher habe ich mich zur weiteren Qualifikation zunächst für diesen Weg entschieden. Zwar lasse ich alles weitere auf mich zu kommen und schließe auch nichts kategorisch aus, aber ich denke, dass ich mich nach der Doktorarbeit in Richtung Industrie orientieren könnte. Ich kann mir aber auch die Arbeit für eine Behörde gut vorstellen. Forschung an sich ist zwar sehr schön, aber die Unsicherheit überwiegt leider die vielen kreativen Vorteile, außerdem würde ich gerne eher Projekte bearbeiten, die fachgebietsübergreifend sind und auch Anteile von Labor und Feldarbeit miteinander vereinen. Auch wenn ich momentan in der Mikrobiologie promoviere, schlägt mein Herz eher für die Ökologie. Hier gibt es eine ganze Reihe von Anwendungsbereichen z.B.: Monitorings bei denen Mikroorganismen mit höheren Organismen verzahnt sind.

Steht die Entscheidung zur Promotion erst einmal, bewirbt man sich ja in den meisten Fällen auf ein bereits formuliertes Forschungsvorhaben. Würdest Du trotzdem sagen, dass Du die Themen Deiner Projekte selbst bestimmen kannst?

Die Frage kann ich leider noch nicht richtig beantworten, da ich noch nicht selbst zu meinen eigenen Ideen Anträge formuliert habe. Was ich jedoch schon mal sagen kann ist, dass es leider viele Gebiete und Projektideen gibt, für die man schlecht oder gar keine Gelder bekommt. Dies war auch einer der Gründe, warum ich nach meiner Zeit am GEOMAR (neben dem Studium habe ich hier vom ersten Semester an als HiWi gearbeitet) in die Mikrobiologie gewechselt bin. Für ökologische Themen und Klimaforschung bezahlt einen niemand. Ich kenne einige Leute, die für ihre Forschungsprojekte gebrannt haben und bei Wind und Wetter 365 Tage im Jahr ohne Ausnahme jeden Tag um 7 Uhr in irgendeinem Bach gestanden haben, und jetzt Lehrer sind, weil das Projekt nicht weiter finanziert wird. Meine Eltern haben mir jahrelang in den Ohren gelegen, dass ich doch einfach Lehrer werden soll, um einen sicheren Job zu haben.

Käme morgen eine gute Fee bei Dir vorbei und würde Dir Dein Traumlabor mit der tollsten Ausstattung, unendlich viel Geld und unendlich viel „Manpower“ aus dem Zauberstab schnipsen, woran würdest Du dann forschen?

Das ist auch nicht einfach zu beantworten. Ich habe schon immer davon geträumt ein eigenes Labor zu besitzen, dass mit allem erdenklichen ausgestattet ist. Ich würde gerne einfach morgens aufwachen und einer x-beliebigen Frage nachgehen. Dabei würde ich gerne sämtliche Disziplinen berücksichtigen. An einem Tag kann die Frage aus der Physik stammen beispielsweise Optik oder theoretische Physik, am nächsten Tag kann es sich um Genetik oder organische Chemie handeln. Vielleicht besteht ja die Möglichkeit einige wichtige Probleme zu lösen. Meistens versuche ich derartige Ideen mit meiner Frau zu diskutieren (früher mit meinen Eltern oder Großeltern). Leider ist diese Illusion sehr weit von der Realität entfernt. Ich bewundere hier Elon Musk, der den finanziellen Hintergrund hat, eben genau das zu machen, worauf er Lust hat. Ein Teilchenbeschleuniger im Keller eines Einfamilienhauses ist nicht nur aus Platzgründen, sondern vor allem aus finanziellen Gründen nicht zu realisieren.

Wie sieht Dein universitärer Alltag aus? Kannst Du uns mal einen durchschnittlichen Tag beschreiben?

Mein Arbeitstag beginnt meist gegen 8 Uhr. Ich schaue nach neuen Emails und mache mir einen Plan welche Versuche oder Vorbereitungen für Versuche zu erledigen sind. Meistens kommen im Tagesverlauf unvorhergesehene Tätigkeiten dazu, die dann ebenfalls eingebaut werden müssen. Ich arbeite meine Labortätigkeiten nacheinander ab und meistens bleibt dann nur Zeit für eine halbe Stunde Mittagspause. Meistens denke ich, ich erledige den Papierkram einfach kurz vor Feierabend, aber in der Regel kommt immer etwas dazwischen, sodass ich, wenn ich zwischen 17 und 18 Uhr den Heimweg antrete, immer noch einiges an Papierkram zu machen habe. Ich habe jetzt dank Corona einen Homeoffice-Tag am Mittwoch eingeführt, an dem ich neben der Arbeit an meiner ersten Publikation auch übrig gebliebene Schreibarbeit erledige.

Wie verbringst Du Deine Freizeit? Vermutlich spielt das Handwerkeln da eine nicht ganz unwichtige Rolle?

Das kann man so sagen. In meiner Freizeit lebe ich meine Kreativität tatsächlich in meiner Werkstatt aus. Während Corona habe ich einen Couchtisch und einen Esstisch aus ehemaligen Gerüstbohlen gebaut. Ich habe dafür alle Oberflächen von Hand gehobelt, abgerichtet und zusammengefügt. Viele Dinge in der Wohnung habe ich selbst gebaut bzw. in Zusammenarbeit mit meiner Frau. Ansonsten genieße ich die Zeit mit meiner Familie, lese oder bin draußen unterwegs. Es gibt viele andere Bereiche, in denen ich mich gerne engagieren würde, meistens fehlt mir hierfür leider die Zeit. Durch Corona sind leider auch die sportlichen Aktivitäten stark zurückgegangen, dies fehlt mir als Ausgleich sehr und ich hoffe, dass dies Dank der Impfung in den nächsten zwei Monaten besser wird.

Kann Urlaub für Dich solch ein Ausgleich sein? Welcher Urlaubstyp bist Du?

Übers Jahr verteilt nehme ich alle Urlaubstage, die mir zustehen und verbringe sie mit meiner Frau meistens in der Natur. Letztes Jahr waren wir in den Alpen wandern, dieses Jahr wird es die Moselregion. Vor Corona waren wir auch, für mich das erste Mal, in südlichen Ländern schnorcheln. Ich habe für mich herausgefunden, dass ich zur wirklichen Erholung nicht nur nicht zur Arbeit gehen muss, sondern auch das Umfeld (zu Hause, Kiel) verlassen muss, um nicht ständig an die Arbeit erinnert zu werden. Ich habe im Alltag manchmal das Problem nicht richtig abschalten zu können.


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