In unserer Reihe „Wir haben nachgefragt“ geht es diesmal in den hohen Norden. Hier erforscht die gebürtige Holsteinerin Lisa Nickel an der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel seit 2012 mit großer Begeisterung CRISPR-Cas-Systeme und hat auch in diesem Bereich vor vier Jahren sehr erfolgreich promoviert. Aktuell ist Lisa als Postdoc im SPP2141 „CRISPR-Cas: mehr als nur Verteidigung“ in der Arbeitsgruppe von Ruth Schmitz-Streit dem Abwehrmechanismus des Archaeon Methanosarcina mazei auf der Spur und engagiert sich nebenbei in der universitären Lehre. Im Gespräch erzählt sie uns unter anderem, was sie an der Wissenschaft und besonders am Thema CRISPR fasziniert, woran genau sie forscht und welche Zutaten sie für eine ausgleichende Freizeitgestaltung braucht.
Hallo Lisa, erstmal herzlichen Dank, dass Du Dir die Zeit für unser Interview genommen hast. Kannst Du uns zunächst einmal verraten, wie Du zur Wissenschaft gekommen bist?
Ich habe mich schon während meiner Schulzeit immer sehr für die naturwissenschaftlichen Fächer interessiert. Zudem habe und hatte ich immer eine große Liebe zum Meer. Deshalb war mir ganz schnell klar, ich möchte Biologie studieren, am liebsten Meeresbiologie. Dass ich doch noch mehr für die Mikrobiologie brenne, hat sich dann im Laufe des Studiums gezeigt und die Themen in unserer Arbeitsgruppe haben mich gleich gepackt. Nach meiner Diplomarbeit startete dann die erste DFG-geförderte Forschergruppe, die sich mit den CRISPR-Cas-Systemen beschäftigte. In diesem Forschungsverband habe ich dann promoviert. Das war eine aufregende Zeit und man hat in der gesamten Community die Euphorie gespürt auf diesem spannenden, relativen neuen Feld zu forschen. Dieses Gefühl hat mich auch sehr mitgetragen.
Und Du wolltest schon immer Forschung machen?
Ich wollte schon immer verstehen, wie Dinge funktionieren und habe mich sehr für naturwissenschaftliche Fragen interessiert. Diese intrinsische Motivation ist für die Forschung, denke ich, eine wichtige Voraussetzung. Etwas, was ich aber auch erst lernen musste, denn in der Forschung ist der Weg nicht immer gradlinig. Man geht auch mal rückwärts, biegt an Kreuzungen auf einen anderen Weg ab und kommt in Situationen, wo es nicht weitergeht.
Wenn Du auf einer Familienfeier danach gefragt wirst, worum es bei Deinem CRISPR-Cas SPP-Projekt geht und womit genau Du Dich beschäftigst, wie lautet dann Deine Antwort?
Wir arbeiten in unserer Arbeitsgruppe mit Archaeen. Archaeen sind einzellige Mikroorganismen, die eine eigene Domäne im Stammbaum des Lebens bilden. Sie sind sehr ursprüngliche Organismen, die oft an extremen Standorten vorkommen, also an Orten leben, wo zum Beispiel sehr hohe oder niedrige Temperaturen herrschen, hohe Salzkonzentrationen oder wo es keinen Sauerstoff gibt. Letzteres ist für unseren Organismus der Fall. Methanosarcina mazei ist ein anaerober Organismus und verträgt keinerlei Sauerstoff. Daher ist schon die Kultivierung eine Herausforderung. Wir arbeiten in großen Anaerobenzelten, in denen ein Gasgemisch ohne Sauerstoff vorliegt und müssen alle Gefäße luftdicht verschließen. In diesem Organismus schauen wir uns dann die CRISPR-Cas-Systeme an. Das ist ein adaptives Abwehrsystem gegen fremde DNA oder RNA, wie sie zum Beispiel durch Viren oder Phagen übertragen werden kann. Adaptiv ist dieses System, weil es sich vergangene Infektionen merken kann und diese Informationen dann an nachfolgende Generationen weitergibt. Unser Fokus liegt im Moment besonders auf der Regulation dieses Systems in unserem Organismus Methanosarcina mazei und auf verwandten Proteinen, die keine Funktionen innerhalb des CRISPR-Cas-Systems übernehmen, aber wahrscheinlich ursprünglich von diesem abstammen.
Es gibt tatsächlich Zelte, die speziell für die Kultivierung und die Arbeit mit anaeroben Organismen gebaut werden? Das ist ja spannend! Kannst Du uns darüber ein wenig mehr berichten?
Ja klar gerne. Das muss man sich so vorstellen, wie ein kleines Labor umgeben von einer dichten Gummifolie, in dem ein sauerstofffreies Gasgemisch vorliegt. Wir arbeiten darin über zwei große Handschuhe, in denen unsere Arme stecken. Da kann man sich vorstellen, dass das Handling von kleinen filigranen Dingen, besonders schwierig ist. Alle Sachen, die hinein oder heraus kommen, müssen durch eine kleine Schleuse, in der man durch eine Vakuumpumpe den Sauerstoff absaugen kann und dann durch das andere Gasgemisch ersetzt. So gehen wir sicher, dass unser Arbeitsbereich im Inneren des Zeltes anaerob bleibt. Darin können wir dann unsere Kulturen öffnen und die Zellen zum Beispiel auf festen Nährböden kultivieren. Allerdings dauert dabei alles etwas länger und muss im Vorfeld gut geplant werden.
Was interessiert Dich an Archaeen und in diesem Zusammenhang an CRISPR-Cas besonders?
Das Arbeiten mit Archaeen finde ich grundsätzlich besonders spannend. Lange wurde den Archaeen in der Wissenschaft kaum Beachtung geschenkt und noch immer muss man erklären, dass es keine Bakterien sind und sie eine eigene Domäne des Lebens bilden. Das CRISPR-Cas-System ist natürlich auch ein spannendes Forschungsfeld, in dem in den letzten Jahren so viel passiert ist, welches auch in der Öffentlichkeit oft besprochen wird und für welches es ja sogar den Nobelpreis gab. Die Arbeit in dieser Community hat mich immer sehr begeistert.
Was war das schönste oder aufregendste Ergebnis Deiner Arbeitsgruppe in Kiel in der letzten Zeit?
Lange gab es für unseren Organismus Methanosarcina mazei kein bekanntes Virus. Meiner Kollegin Katrin ist es dann aber gelungen ein spezifisches Virus für unseren Organismus zu isolieren. Das war ein schöner Erfolg und wir konnten endlich die Aktivität des CRISPR-Cas-Systems mit diesem Virus testen. Außerdem waren die letzten Monate, Corona bedingt, ja für alle besonders schwer. Dies hat sich natürlich auch auf das Arbeiten bei uns in der Gruppe ausgewirkt, keine persönlichen Treffen, Austausch oft nur digital, erschwerte Laborarbeit durch Schichtpläne und fehlenden Laborplatz. Langsam entspannt sich die Situation nun wieder und wir trauen uns sogar schon vorsichtig einen Betriebsausflug zu planen und an zukünftige Tagungen zu denken. Das ist ein schöner Lichtblick.
Außer den hoffentlich bald zur Vergangenheit gehörenden Einschränkungen durch Corona, gibt es Dinge, die Dir an Deinem Job besonders gut gefallen?
Was ich besonders an meinem Beruf schätze, ist die große Vielfalt an Themen, Methoden und Arbeitsbereichen. Es gibt Phasen, da arbeitet man viel im Labor, entwickelt oder testet neue Methoden und arbeitet sehr handwerklich. In anderen Phasen bringt man seine Ergebnisse zusammen und schreibt und recherchiert Literatur, bereitet Vorträge vor. Letzteres bereitet mir im Übrigen immer noch Bauchweh, auch wenn ich schon viele Vorträge gehalten habe. Natürlich wird es mit der Zeit etwas leichter, aber die Aufregung bleibt.
Wenn Du mit einer Zeitmaschine zurück zu der Zeit nach Deinem Schulabschluss reisen könntest: Würdest Du mit dem Wissen von heute nochmal dieselbe Laufbahn einschlagen oder eher etwas ganz Anderes machen?
Ich würde, wenn ich in die Vergangenheit reisen könnte, wahrscheinlich alles nochmal genauso machen. Ich habe meine Entscheidungen nie bereut und bin heute immer noch sehr glücklich über meinen Weg. Wahrscheinlich würde ich der Lisa aus der Vergangenheit nur die Gewissheit mit auf den Weg geben, dass zum Beispiel die stressigen Phasen während der Doktorarbeit und auch zum Ende dieser, wieder vorbeigehen und man sich davon erholt und diese Zeit sogar schnell als eine sehr schöne in Erinnerung behält.
Hat sich Dir je die Frage gestellt, in die Industrie zu gehen?
Wie schon gesagt fühle ich mich hier an der Universität sehr wohl. Besonders die Vielfalt an wissenschaftlichen Fragestellungen und Arbeitsbereichen und besonders auch die Lehre machen mir große Freude. Daher gab es bei mir noch nie die Motivation mich in die Industrie zu bewerben.
Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes lautet: Die Wissenschaft ist frei. Kannst Du die Themen Deiner Projekte selbst mitbestimmen?
Natürlich ist man als wissenschaftliche Angestellte meist für ein bestimmtes Projekt angestellt, für das schon im Vorfeld ein inhaltlicher Fahrplan erstellt wurde. Zusammen mit meiner Professorin Ruth Schmitz-Streit erarbeiten wir neue Projekte aber auch oft zusammen. Und es herrscht grundsätzlich eine große Offenheit für eigene Ideen und Vorschläge, was ich sehr schätze und wodurch ich mich auch sehr frei in meiner Arbeit fühle.
Beteiligst Du Dich auch in der Lehre, also an der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses? Wenn ja, mit welchen Lehrformaten? Macht das Spaß oder ist das eher lästig?
Tatsächlich habe ich gerade eine geteilte Stelle, bei der ich neben der Forschungstätigkeit auch für die Lehre bei uns im Institut zuständig bin. Vor allem unterstütze ich bei Praktika und übernehme auch die Betreuung von Bachelor- und Masterstudent*innen. Ich konzipiere neue Kurse und war vor allem im letzten Jahr auch an der Umsetzung unserer Lehrveranstaltungen in neue digitale Formate beteiligt. Mir macht die Lehre und der Austausch mit den Studierenden große Freude und sie ist ein guter Ausgleich zur normalen Laborarbeit.
Gibt es ein spezielles Thema, an dem Du forschen würdest, wenn Dir eine Fee Dein ultimatives Traumlabor mit der tollsten Ausstattung, unendlich viel Geld und unendlich viel „Manpower“ aus dem Zauberstab schnipsen würde?
Ich würde auf jeden Fall die Archaeen-Forschung voranbringen und dafür sorgen, dass sie aus ihrem Nischendasein herauskommt, an Kultivierungstechniken arbeiten und genetische Systeme entwickeln, um möglichst eine große Anzahl an Organismen kennenzulernen und sie und ihre Relevanz noch besser zu verstehen.
Wie sieht Dein Alltag außerhalb der Uni aus?
Ich habe einen kleinen Sohn, der gerade 3 Jahre alt ist, daher ist bei uns im Alltag immer viel los. Besonders im letzten Jahr habe ich einen geregelten Alltag sehr vermisst, mein Partner und ich mussten in den Zeiten ohne Kita-Betreuung sehr flexibel sein und jeden Tag aufs Neue planen und strukturieren. Dennoch sind wir gut durch diese Monate gekommen und langsam stellt sich nun der Normalzustand wieder ein. Ein großes Glück war dabei, dass wir beide Jobs und Vorgesetzte haben, die uns eine große Flexibilität der Arbeitszeit ermöglichen. Grundsätzlich kümmert sich mein Partner im Moment um das Bringen und Abholen unseres Sohnes. Natürlich freue ich mich dennoch jeden Tag von der Uni nach Hause zu kommen und mich gleich in die Sandkiste zu stürzen oder eine neue Eisenbahnstrecke zu bauen.
Hast Du neben Deinem Einsatz in der Sandkiste noch andere Hobbys?
Ein unglaublich guter Ausgleich zur Arbeit ist für mich mein Garten. Wir haben einen Schrebergarten, in dem ich es genieße in der Erde zu buddeln. Der Sommer hat es nun langsam auch nach Kiel geschafft und endlich wächst und blüht alles wieder. Das ist für uns ein Ort, an dem wir uns alle besonders wohl fühlen und an dem wir viel Zeit verbringen. Außerdem habe ich in den letzten Jahren ein neues Hobby, das Reiten, für mich entdeckt und verstehe nun den Spruch „Das Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“ immer mehr.
Machst Du auch mal Urlaub? Bist Du eher die spontane Aktivurlauberin, oder lässt Du die Seele lieber während eines ausgiebigen Strandurlaubs baumeln?
Ja natürlich, ich mache sehr gerne Urlaub. Wir haben einen kleinen Camper. In den packen wir dann Kind und Hund und machen uns auf den Weg. Wir sind besonders gerne in der Bretagne, Schottland oder auf Island. Hier genießen wir die unglaublich schöne Natur und sind viel draußen. Bald geht es wieder los und wir können es noch immer nicht glauben, nach so langer Zeit wieder unterwegs sein zu können.