Diesmal bei Marie-Kristin von Wrisberg, frisch gebackene Doktorin der Naturwissenschaften und seit September 2020 zunächst für 2 Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Gruppe von Sabine Schneider, eine der Forscherinnen aus dem SPP2141. Hier an der LMU München führt die 30-jährige Postdoktorandin vor allem die finalen „Sahnehäubchen“-Experimente zum CRISPR-Cas Projekt durch, ist in die Lehre eingebunden und verbringt aktuell einen Teil ihrer Freizeit mit der Durchführung von SARS-CoV2-Tests im Staber Labor für Medizinische Diagnostik in München. Wir freuen uns sehr, dass sie die Zeit für das Interview mit uns gefunden hat!
Marie, kannst Du uns eine Übersicht Deiner bisherigen wissenschaftlichen Laufbahn geben und uns verraten, wie Du zum CRISPR-Projekt von Sabine Schneider gefunden hast?
Da fangen wir am besten beim Schulabschluss an. Nach dem Abitur bin ich von Murnau am Staffelsee nach Freising gezogen, um an der TU München zu studieren. Gejobbt habe ich in der Zeit beim Clinical Research Institue GmbH in München und als Hiwi am Lehrstuhl für Mikrobiologie. Meine Bachelorarbeit hab ich dann bei Herrn Prof. Buchner im Garching-Forschungszentrum am Lehrstuhl für Biotechnologie zum Thema „Biochemische Untersuchung der Hsp90 Cofactor-Interaktionen“ geschrieben. Nach dem auf die Schwerpunkte „Zellen“ und „Medizin“ ausgerichteten Masterstudiengang „Molekulare Biotechnologie“ am Campus Weihenstephan hab ich bei Herrn Prof. Liebl meine Masterarbeit zum Thema „Karbohydrat-Esterasen aus Clostridium stercorarium: Methodenentwicklung für die Produktanalyse und Charakterisierung“ verfasst und mich danach direkt in die Doktorarbeit gestürzt, das war 2016. In der Gruppe für „Synthetische Biochemie“ von Frau Prof. Lang hab ich schließlich Ende August 2020 zum Thema „Development and optimization of genetic code expansion tools to study and validate protein-protein interactions“ promoviert. Sabine Schneider habe ich im Rahmen verschiedener Projekte während der Doktorarbeit kennengelernt. Es hat sich schnell gezeigt, dass wir gut und erfolgreich miteinander arbeiten und auch publizieren können. Da war der Schritt, in Sabine`s CRISPR-Projekt mitzuforschen, schnell gemacht.
Das hört sich für unsere Leserinnen und Leser nach sehr verschiedenen und komplexen Themen innerhalb weniger Jahre an. Haben die überhaupt etwas miteinander zu tun oder bist du von einem Projekt zum nächsten gehüpft?
Stimmt, thematisch sind das ganz unterschiedliche Felder, also kann man das schon als „hüpfen“ bezeichnen. Was soll ich sagen, die Forschungswelt bietet unglaublich viele faszinierende Themengebiete und auch, wenn man nicht alle „ausprobieren“ kann, so wollte ich zumindest ein paar näher kennenlernen. Dennoch gibt es immer wieder Punkte, die überall auftauchen, insbesondere was bestimmte biochemische Standard-Prozeduren angeht (Expression, Proteinreinigung, etc.). Aber natürlich hat jedes Forschungsfeld wiederum spezielle neue Aspekte, die meinen Horizont erweitert haben. Gerade in der Bachelorarbeit durfte ich viele Basics kennenlernen. Bei der Masterarbeit kamen dann schon immer mehr Feinheiten und spezielle Anwendungen dazu. Beides war aber sehr klassisch biochemisch orientiert. Der Exkurs in die synthetische Biochemie in Frau Prof. Langs Gruppe hat mir die Möglichkeit geboten, ganz neue innovative Methoden kennenzulernen und durch das interdisziplinäre Umfeld konnte ich sogar noch ein wenig in die chemische Synthese reinschnuppern. Man lernt einfach nie aus und solange man die Möglichkeit und Lust hat, sich Neues anzueignen, sollte man das auf jeden Fall nutzen.
Wie genau bist Du zur Wissenschaft gekommen?
Wie sagt man so schön: „So wie die Jungfrau zum Kinde“. Das ist immer eine Frage, die sich nicht so schnell beantworten lässt. Ich denke, eine prägende und letztendlich ausschlaggebende Erfahrung, die mich zu der Entscheidung gebracht hat, doch die PhD-Laufbahn einzuschlagen, war meine tolle Zeit während der Masterarbeit. Hier habe ich zum ersten Mal einen konkreten Einblick bekommen, was selbstständiges Arbeiten im Labor überhaupt ist. Die Laborarbeit, das Umfeld mit den tollen Menschen dort, die Forschungsatmosphäre – all das hat mir jeden Tag großen Spaß gebracht, sodass ich einfach noch nicht wollte, dass dieses „Feeling“ nach der Masterarbeit schon vorbei ist. Ein anderer Aspekt war natürlich auch, dass ich zu dieser Zeit noch gar nicht wirklich wusste, in welche Richtung ich mich karrieretechnisch später einmal orientieren wollte. Der PhD ist natürlich eine weitere Qualifikation und kann später eventuell dabei helfen, Türen zu öffnen.
Wolltest Du schon immer Forschung machen?
Puh – weder ja noch nein. Ich hatte darüber gar nicht wirklich nachgedacht, erst gegen Ende der Masterarbeit kamen die ersten Gedanken auf. Bis dato war mein Motto mehr: „Step-by-step! Mach erstmal deinen Bachelor, dann den Master und dann sehen wir weiter“. Aber das macht ja nichts und ist auch gut so, denn das Leben hat immer etwas für einen in petto und bisher hat es Fortuna immer sehr gut mit mir gemeint.
Womit beschäftigst Du Dich genau?
Das CRISPR-Cas SPP-Projekt, an dem ich mich jetzt beteiligen darf, befasst sich mit dem Enzym Cas13a von Rhodobacter capsulatus. Das Projekt wurde von unserem ehemaligen PhD Leonard Kick auf den Weg gebracht und maßgeblich bearbeitet und ich habe jetzt das Privileg, noch finale – wie Sabine so schön sagt – „Sahnehäubchen“-Experimente beisteuern zu dürfen. Meilensteine in dem Projekt sind die strukturelle Aufklärung des Enzymes, sowie die Evaluierung seiner katalytischen Aktivität und des Mechanismus, einschließlich der Bestimmung essentieller Proteindomänen und einzelner Aminosäuren.
Cas13 ist ein RNA-schneidendes Cas-Enzym. Das wird ja auch schon in der Anwendung eingesetzt. Erst kürzlich ist eine Arbeit erschienen, wo man anscheinend erfolgreich akute Influenza und auch SARS-CoV2-Infektionen im Modellsystem Hamster bekämpft hat. Gibt es da überhaupt noch grundsätzliche Sachen zu erforschen?
Oh, wenn ich eines gelernt hab, dann dass es IMMER noch irgendeinen Aspekt gibt, der ergründet werden kann. Aber ja, über Cas13 weiß man schon relativ viel und dem zu verdanken ist es auch, das Cas13 u.a. in diagnostischen Verfahren Anwendung findet. Vielleicht hat der ein oder andere in dem Zusammenhang schon den Begriff SHERLOCK (Specific High-Sensitivity Enzymatic Reporter unLOCKing) gehört. Dieses System nutzt Cas13 zum Nachweis von viralem Erbgut u.a. von SARS-CoV2. In unserem Projekt interessieren wir uns aber mehr für das grundlegende Verständnis des Enzyms: Wie sieht das Aktive Zentrum von Cas13 aus? Welche Aminosäuren sind essentiell? Welcher Reaktionsmechanismus liegt der RNA-Spaltung überhaupt zu Grunde? Wo und wie genau wird die crRNA von Cas13 prozessiert? Usw…
Was war das schönste oder aufregendste Ergebnis Deiner Arbeitsgruppe in letzter Zeit?
Hmmmm, Ergebnis… also bei uns gibt es viele schöne Momente. Grandios war natürlich unser Wandertag in Bayrischzell (mit Bezwingung des Seebergkopfs und anschließendem Eisessen), der mit einem phänomenalen Ergebnis im Bereich Teambildung aufwarten konnte.
Was schätzt Du an Deiner Arbeit besonders, was gar nicht? Was würdest Du verändern, wenn Du könntest?
Auf der „Haben“-Seite stehen ganz klar Flexibilität und Spontanität: Es ist immer spannend, man lernt stetig Neues dazu, das dynamische Umfeld ist klasse und man hat relativ freie Gestaltungsmöglichkeiten. Auf der „Nicht-Haben“-Seite: Ok, die Bezahlung ist meist nicht wie in der Wirtschaft, die Arbeitszeiten können u.U. stark variieren.
Warum bist Du nicht in die Industrie gegangen?
Wie schon erwähnt, war ich nach Ende des Studiums noch nicht bereit bzw. hätte es schade gefunden mich von der Bench verabschieden zu müssen, um ins „harte und wirkliche Leben“ einzusteigen. Der PhD bietet einem nochmal die Chance, viel Neues kennenzulernen, eigene Ideen einzubringen und auszuprobieren und das in einem vertrauten und geschützten Umfeld.
Wenn Du mit einer Zeitmaschine zurück zum Abi reisen könntest: Würdest Du denselben Weg gehen oder eher etwas ganz anderes machen?
Hmmm, ehrlich gesagt weiß ich das nicht so genau. Ich muss zugeben, ich habe schon das ein oder andere Mal überlegt, ob nicht auch eine handwerkliche Ausbildung zur Schreinerin, Elektrikerin oder Mauererin eine gute Wahl gewesen wäre. Naja, dieser Gedanke kam allerdings auch immer genau dann auf, wenn in meiner Wohnung mal wieder irgendwas repariert werden musste…
Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes besagt: Die Wissenschaft ist frei. Würdest Du sagen, dass Du frei bist und die Themen Deiner Projekte selber bestimmen kannst?
Nun ja, wenn man wie ich im Rahmen eines speziellen Projektes eingestellt wurde, kennt man im Vorfeld ja bereits in groben Zügen dessen Inhalt und auch die damit einhergehenden Aufgaben. Ein solches Projekt finanziert dann auch die eigene Stelle, ist mit bestimmten Forschungsgeldern gekoppelt und inhaltlich natürlich nicht beliebig änderbar. Ich denke aber, durch die Entscheidung für eine Mitarbeit in einem solchen Projekt entscheidet man sich schon auch indirekt frei für ein spezielles Forschungsthema, das einen sehr interessiert. Meine tägliche Arbeit empfinde ich darüber hinaus als sehr frei: Wie der Tagesablauf aussieht, wie ich meine Versuche plane und umsetze obliegt in der Regel mir. Toll ist auch, dass ich durch meine Chefin und meine derzeit vier Kollegen in dieser Hinsicht viel Unterstützung erhalte.
Beteiligst Du dich auch in der Lehre, also an der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses? Falls ja, mit welchen Lehrformaten? Macht das Spaß oder ist das eher lästig?
Oh, letzteres kommt auch immer ein wenig auf die Studierenden an! Aber in 95 % der Zeit erfülle ich meine Lehraufgaben von Herzen gern. Konkret betreue ich Studierende im Rahmen ihrer Bachelor- bzw. Masterarbeiten oder während verschiedener Forschungspraktika.
Wie sieht Dein Alltag aus? Kannst Du uns mal einen durchschnittlichen Tag beschreiben?
Nun ja, das genau ist das Schöne an der Wissenschaft und an der Uni: Kein Tag ist wie der andere, nichts ist genau planbar. Wie es weiter geht und welche Aufgaben oder Experimente anstehen, ergibt sich (in der Regel) aus den Ergebnissen, die man kurz vorher erhalten hat. Das setzt – wie weiter oben schon erwähnt – Flexibilität und Spontanität voraus, erlaubt aber auch die freie Gestaltung der Tage und sorgt dafür, dass es nie langweilig wird! Aber um auf die Frage zurückzukommen: Mein Tag im Labor startet in etwa um 8:30 Uhr. Auf der Tagesagenda stehen Dinge wie E-Mails checken, Datenauswertungen, allgemeine Laboraufgaben (wie z.B. Aufräumen, Puffer oder Stocklösungen checken), Betreuung von Studierenden, manchmal Besprechungen oder Seminare und natürlich die eigenen geplanten Experimente. Die Reihenfolge ist immer anders und wird meistens um das zentrale bzw. wichtigste Element herumgestaltet – die Experimente. Mittags kochen gemeinsam, diese Zeit wird dann meistens auch schon genutzt, um die ein oder andere labortechnische Angelegenheit zu besprechen. Und Feierabend ist meistens zwischen 17 und 18 Uhr, wenn man bis dahin mit seinen Versuchen durch ist.
Woran würdest Du forschen, wenn eine Fee Dir Dein Traumlabor mit der tollsten Ausstattung, unendlich viel Geld und unendlich viel „Manpower“ aus dem Zauberstab schnipsen würde?
Aus Respekt gegenüber all den unzähligen, super wichtigen und interessanten Forschungsgebieten, die es gibt, mache ich hier mal von meinen Recht zu schweigen Gebrauch. Das ist wirklich eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Im Bachelor war mein Favorit „Immunologie“, im Master bin ich in das Forschungsfeld „Mikrobiologie und Pflanzenmasseabbau“ gestolpert. Der PhD hielt dann „Genetic Code Expansion“ für mich bereit und jetzt bin ich bei „Proteinkristallisation und CRISPR-Cas“ gelandet. Jedes einzelne dieser Gebiete hat mich begeistert und überall war ich mit vollem Herzen dabei.
Machst Du auch mal Urlaub? Gibt es ein Reiseziel, das dich besonders anzieht?
Aber sicher! Work-Life-Balance ist da das Schlüsselwort! Ich bin ein Fan von Städtereisen, aber auch ein Ausflug in die Berge oder generell in die Natur ist mir immer willkommen. Frankreich ist eines meiner liebsten Reiseländer, vor allem die Küstenregionen (Bretagne mit dem Atlantik, sowie die Côte d’Azur mit dem Mittelmeer) – wahrscheinlich, weil es mir von Kindheit an vertraut ist. Generell ist mir aber immer ein ausgewogener Mix aus Kultur und „Sonstigem“ wichtig.
Und nun unsere abschließende Frage: Was tust Du mit dem Rest Deiner Freizeit, wenn Du nicht gerade im Münchner Staber Labor SARS-CoV2-Tests durchführst? Hast Du ein besonderes Hobby?
Freie Zeit sollte Quality Time sein! Für mich bedeutet das, Zeit mit der Familie, mit Freunden oder auch einfach für mich selbst zu haben, z.B. um in Ruhe ein Buch zu lesen, Sport zu machen, Netflix zu schauen oder im „Home-Spa“ zu entspannen. Während des Lockdowns haben meine Lieben und ich das gemeinsame Kochen nach Ottolenghi für uns entdeckt – sehr zu empfehlen!