Populationsdynamik und Phylogenie von CRISPR Systemen in prokaryotischen Populationen

Leitung: Franz Baumdicker

Standort: Universität Freiburg

Kurzbeschreibung des Projekts:

Franz Baumdicker beschäftigt sich mit mathematischen Modellen, mit denen die Evolution und Ökologie der Gene und Genome von Mikroorganismen beschrieben werden soll. Hier geht es nicht um experimentelle Arbeiten im Labor sondern hauptsächlich um Mathematik und Bioinformatik. Dabei werden Daten und Ergebnisse aus der experimentellen Forschung anderer Projekte aus dem Schwerpunktprogramm eingesetzt.

Die revolutionäre CRISPR-Cas-Technologie zur präzisen Veränderung von Genomen hat ihren Ursprung in den natürlichen CRISPR-Systemen in Bakterien und Archaea. Viele dieser Systeme funktionieren als Abwehrsysteme gegen die Infektion durch Viren. Darüber hinaus können CRISPR-Systeme die Evolution von Bakterien jedoch auch direkt beeinflussen, ohne dass Viren beteiligt sind.

Ziel dieses Projektes ist die Entwicklung und Anwendung neuer mathematischer Modelle für die Evolution von CRISPR in Prokaryoten. Viele wissenschaftliche Arbeiten haben sich bereits mit dem Zusammenspiel zwischen Bakterien mit CRISPR und den viralen Parasiten beschäftigt. Im Gegensatz dazu konzentrieren wir uns auf die Mechnismen der Evolution von CRISPR-Cas-Systemen in Bakterien und Archaea, die ohne virale Einflüsse beschrieben werden können. Insbesondere möchten wir folgende Fragen beantworten:

• Die CRISPR-Systeme enthalten kurze, sich immer wieder wiederholende identische DNA-Sequenzen, die von den sogenannten “Spacern” (Abstandhalter) unterbrochen werden. Diese stammen meistens von eingedrungenen Viren ab und liefern das “Adress-Label” für die Cas-“Genschere”.
Weil die Spacer in chronologischer Reihenfolge früherer Infektionen angeordnet sind, bieten sie einen einzigartigen Einblick in die Evolutionsgeschichte (d.h. die “Krankheitsgeschichte”) der Bakterien. Können wir die beobachteten Muster innerhalb der Spacer-Abfolge erklären und das Vorkommen von Spacern unter bestimmten Selektionsbedingungen beobachten? Können wir rekonstruieren, unter welchen Bedingungen ein Spacer in der Vergangenheit aufgenommen wurde, um die Evolution von CRISPR-Cas in Bakterien besser zu verstehen?

•  Wenn versehentlich eigene Gensequenzen als Zielsequenz für CRISPR benutzt werden, führt dies normalerweise zum Tod des Bakteriums. Daher schränken mögliche Ziele im bakteriellen Genom vermutlich die Überlebensfähigkeit des Bakteriums ein, was wiederum dazu führen müsste, dass diese Sequenzen evolutionär aussortiert oder geschützt werden. Können wir die Wirkung von gegen das Bakterium selbst gerichteten (selbst-targetierenden) CRISPR-Systemen aus den Genomsequenzen von Bakterien nachvollziehen bzw. sogar modellieren?

• Es gibt CRISPR-Systeme, deren Spacer gegen Ziel-Gene in “Verwandten” derselben Population gerichtet sind. Bei einem genetischen Austausch (Rekombination) mit diesen Verwandten verhindert dies den Austausch oder führt eventuell sogar zum Tod des Empfängers. Damit wird der Austausch und die Verteilung von Genen innerhalb einer Population beeinflusst.
Außerdem können solche Systeme als offensive Waffe gegen artverwandte Konkurrenten eingesetzt werden. Eine Gegenmaßnahme der angegriffenen “Verwandten” wäre es, die Ziel-Gene zu verändern oder, wenn möglich, ganz abzuschaffen. Wir wollen verstehen, wie sich CRISPR-Arrays und ihre Ziel-Gene im eigenen Genom und im Genom von Verwandten dynamisch verändern.
Damit könnte auch die Frage beantwortet werden, ob künstliche CRISPR-Systeme für eine anti-bakterielle Behandlung geeignet sind, um z.B. ganz bestimmte schädliche Bakterien abzutöten.