Wie entsteht ein DFG-Schwerpunktprogramm?

Forschung kostet Geld. Um Experimente zu machen, braucht man Chemikalien, technische Geräte und vor allem engagierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die die komplexen Experimente durchführen. Ein Förderinstrument der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sind sogenannte Schwerpunktprogramme, kurz: „SPP“. Das sind interdisziplinäre Zusammenschlüsse von universitären Arbeitsgruppen, die ähnliche wissenschaftliche Interessen haben und deren Zusammenarbeit einen Mehrwert verspricht. Schwerpunktprogramme müssen auf einem spannenden neuen Forschungsfeld angesiedelt sein. Anträge auf Schwerpunktprogramme werden streng begutachtet und, wenn erfolgreich, für drei Jahre bewilligt. Die Fördersumme beträgt rund 5 bis 6 Millionen Euro.

Das mag auf den ersten Blick viel erscheinen, aufgeteilt auf 21 Arbeitsgruppen und drei Jahre ist das aber ziemlich wenig – vor allem wenn man berücksichtigt, dass der größte Teil für die Gehälter junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eingesetzt wird. Diese haben meistens einen Masterstudiengang abgeschlossen und streben eine Promotion an. Die Doktorandinnen und Doktoranden arbeiten an einem Teilprojekt innerhalb einer Arbeitsgruppe. Universitäten können solche Forschungsprojekte aus eigenen Mitteln nicht finanzieren.

Die Idee

Vor etwa drei Jahren saßen die Professorinnen und Professoren Anita Marchfelder (Ulm), Rolf Backofen (Freiburg), Lennart Randau (Marburg), Emmanuelle Charpentier (Berlin) und Ruth Schmitz-Streit (Kiel) nach einem Kongress zusammen und erzählten sich die neuesten Erkenntnisse über ihre Arbeitsgebiete, die alle etwas mit dem prokaryotischen Abwehrsystem CRISPR-Cas zu tun hatten. Die Fünf kennen sich seit etlichen Jahren, haben immer mal wieder zusammengearbeitet, Ergebnisse ausgetauscht und diskutiert. Bei dem Gespräch kam man dann auch auf die ersten überraschenden Befunde zu sprechen, dass das CRISPR-Cas System eventuell auch andere Funktionen als die Immunabwehr hat. Arrays ohne Cas-Enzyme und Cas-Enzyme ohne CRISPR-Arrays sind entdeckt worden, sowie CRISPR-Cas-Systeme, die bei der DNA-Reparatur oder der Virulenz von Pathogenen eine Rolle spielten. Sie waren sich schnell einig, dass das kein Zufall war, sondern mehr dahinterstecken musste. Und dann hieß es: „Das sind bestimmt nicht nur ein paar Einzelfälle. Man müsste mal gezielt suchen, was es da noch an Überraschungen gibt!“ und „Was macht ein CRISPR-Array ohne Cas-Enzym und umgekehrt? Das muss man mal systematisch untersuchen! Da muss es völlig neue Funktionen geben!“.

Das ist ein wirklich spannendes neues Forschungsfeld! Wir haben in Deutschland eine ganze Menge Labore, die sich dafür interessieren und viel Erfahrung haben, und Prof. Anita Marchfelder schlug vor, das im Rahmen eines DFG-Schwerpunktprogramms zu untersuchen!

Gemeinsam wurde überlegt, welche Arbeitsgruppen noch in Frage kämen, und sehr schnell kam eine beachtliche Liste zusammen. Anita Marchfelder fragte bei den Kolleginnen und Kollegen nach, wer bei diesem Programm mitmachen würde und welche Projekte eingebracht werden könnten.

Die Namensliste wurde konkreter und mit Forschungsideen unterfüttert. Es gab mehrere kleine Treffen, bei denen die Inhalte eines möglichen Schwerpunktprogramms besprochen wurden. Schließlich wurden schriftliche „Interessensbekundungen“ von all denen eingeholt, die an dem Thema arbeiten wollten. Die kleine Gruppe der fünf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatte fast automatisch und unter Federführung von Anita Marchfelder die Koordination übernommen. Sie holten noch einmal Rat von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein, die auf anderen Gebieten arbeiteten, aber mit der Materie von CRISPR-Cas gut vertraut waren.

Schließlich wurde bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft angefragt, welche Chancen ein CRISPR-Cas-Programm haben könnte. Grundsätzlich sei das schon interessant, hieß es da, und man könnte gerne mal ein Vorgespräch arrangieren.
Vorgespräche mit der DFG sind kein Geplänkel: Die DFG beruft dazu zwei bis drei Beraterinnen bzw. Berater, die selbst Forschende mit hoher Expertise auf dem entsprechenden Feld sind. Diese sollen das vorgestellte Konzept bewerten. Hier gilt es, Überzeugungsarbeit zu leisten und glaubhaft zu machen, dass das vorgeschlagene Programm wirklich neue Ergebnisse liefern wird, internationale Bedeutung hat und einen wesentlichen Beitrag zum Wissenschaftsstandort Deutschland leistet.

Der Antrag

Obwohl das Vorgespräch ganz gut lief, gab es (konstruktive) Kritik und den dringenden Vorschlag des Beratergremiums, gerade bei diesem gesellschaftlich möglicherweise relevanten Thema die Begleitung durch eine Gruppe einzubeziehen, die die Forschung nach außen transparent macht und der Bevölkerung verständliche Einblicke in die Arbeit bietet.

Die Koordinatorinnen und Koordinatoren setzten sich wieder zusammen, arbeiteten nach den Empfehlungen am „Streamlining“, suchten eine geeignete Gruppe für die Wissenschaftskommunikation und stellten schließlich einen Vorantrag von 25 Seiten mit der etwa benötigten Fördersumme zusammen.

Voranträge werden von Expertinnen und Experten anonym bewertet. Die Begutachtung erfolgt kompetitiv, d. h. alle Anträge für Schwerpunktprogramme werden vergleichend beurteilt. Weil nicht genügend Geld im Topf der DFG ist, wird nur ein kleiner Teil der Konzepte befürwortet.

Im Frühsommer 2017 kam die gute Nachricht, dass wir in diesem ersten Wettbewerb gewonnen hatten. Das Schwerpunktprogramm war im ersten Schritt genehmigt. Damit konnte es aber noch lange nicht losgehen. Das Schwerpunktprogramm wurde öffentlich ausgeschrieben, so dass alle Arbeitsgruppen in Deutschland sich mit einem Antrag bewerben konnten.

Bis Dezember 2017 mussten die Anträge bei der DFG eingereicht werden, jeder mit einer ausführlichen Beschreibung der angestrebten Ziele, des geplanten Arbeitsprogramms, der Kooperationsmöglichkeiten im Verbund und einer begründeten Auflistung der beantragten Mittel. Anita Marchfelder als Koordinatorin musste zusätzlich beschreiben, wie die einzelnen Projekte verzahnt sind und wie Kooperationen zwischen den Arbeitsgruppen stattfinden sollen. Insgesamt kommen da schnell 300 bis 400 Seiten zusammen.

Liest jemand diese ganzen Unterlagen? Ja, und zwar mehrfach! Die DFG stellt ein internationales Gremium zusammen. Jeder Antrag wird von mindestens zwei Gutachtern sorgfältig gelesen und kritisch bewertet. Alle Gutachterinnen und Gutachter sichten alle Anträge und das übergreifende Konzept des SPP, um sich einen Überblick über das Gesamtprogramm zu verschaffen.

Was spielt eine Rolle bei der Bewertung? Zuerst natürlich die wissenschaftliche Qualität: Ist das Projekt so wie es vorgeschlagen ist, überhaupt machbar? Haben die Antragstellerinnen und Antragsteller Erfahrung auf dem Gebiet? Stehen die erforderlichen Methoden zur Verfügung? Ist ein Projekt gut mit anderen Projekten vernetzt und gibt es Synergien? Gerade bei der DFG geht es nicht darum, ob ein Projekt unmittelbaren Nutzen bringt. Es wird nicht erwartet, dass am Ende der Förderung eine Anwendung oder gar ein Patent steht. Es geht um Grundlagenforschung, im konkreten Fall: um das Verständnis für biologische Mechanismen – und das ist eine unverzichtbare Voraussetzung dafür, überhaupt über Anwendungen nachdenken zu können.

Das klingt so, als hätten nur „alte Hasen“ eine Chance, ist aber nicht so. Der Anspruch ist zwar hoch, aber es gibt faire Chancen auch für den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Die Gutachterinnen und Gutachter arbeiten übrigens ehrenamtlich. Sie werden für ihre Arbeit, die viele Stunden in Anspruch nimmt, nicht entlohnt!

Die Entscheidung

Am 26./27. März 2018 war der „große Tag“, an dem sich die alle Beteiligten in Bonn trafen, um die Anträge intensiv zu diskutieren. Alle Projektleiterinnen und Projektleiter hatten sechs Minuten Zeit, um ihr Vorhaben vorzustellen. Die Mitglieder der Prüfungsgruppe hatten natürlich die Anträge zuvor sorgfältig gelesen und konnten jetzt noch einmal kritisch nachbohren. Das taten sie auch und so manche die Antragstellerinnen und Antragsteller wurden ganz schön „gegrillt“. Die Atmosphäre war zwar freundlich und man gab sich gelassen – angespannt waren aber wohl alle. Schließlich ging es nicht nur um Geld, sondern auch darum, manchen guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiterhin einen Arbeitsplatz anbieten zu können.

Die Mitglieder der Prüfungsgruppe und die Vertreterinnen und Vertreter der DFG zogen sich dann in die „Klausur“ zurück, um zu Förderempfehlungen zu jedem einzelnen Antrag zu kommen. Die Antragstellerinnen und Antragsteller fuhren heim und schwitzten.

Einen Tag später kam von Anita Marchfelder ein Anruf mit der Vorentscheidung: Die meisten, aber leider nicht alle Anträge, waren zur Förderung empfohlen. Auch den Verantwortlichen für das Projekt für die Wissenschaftskommunikation fiel ein Stein vom Herzen: Das Projekt war durch!

Diese Empfehlungen der Prüfungsgruppe sind jedoch nur der erste, noch nicht endgültige Schritt. Letztlich entscheidet der Hauptausschuss, ein weiteres Gremium der DFG, und erst dann ist klar, wieviel Geld jedem einzelnen Programm zur Verfügung stehen wird. Das dauert also noch einmal zwei bis drei Monate und erst dann fällt der offizielle Startschuss: Das Geld wird freigegeben, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können eingestellt werden und die Arbeit kann losgehen.

Autor: Wolfgang Nellen

 

Bildnachweis: Hintze/Universität Ulm


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Kommentare

2 Antworten zu „Wie entsteht ein DFG-Schwerpunktprogramm?“

  1. Avatar von jaden hoch
    jaden hoch

    Am 26./27. März 2018 war der „große Tag“. Wurde am diesen Tag alle Anträge des SPP 2141 bewertet oder nur der Rahmenantrag? Und wenn alle Anträge der Teilprojekte bewertet wurden, waren es nur die Teilprojekte aus dem ersten Förderabschnitt?

  2. Avatar von weltforce

    Am 26./27. März 2018 war der „große Tag“. Wurde am diesen Tag alle Anträge des SPP 2141 bewertet oder nur der Rahmenantrag? Und wenn alle Anträge der Teilprojekte bewertet wurden, waren es nur die Teilprojekte aus dem ersten Förderabschnitt?